Nachtrag zu den Suizidhilfe-Zahlen aus Oregon (USA)

Der von mir sehr geschätzte Kollege Ralf Jox (München) – einer der Veranstalter der Berliner Tagung zum assistierten Suizid, über die ich im letzten Blogbeitrag berichtet habe – hat mich völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das Nebeneinander der Grafik von Borasio und der Grafik mit den Zahlen aus Oregon in meinem letzten Beitrag zumindest latent irreführend ist. Denn in der ersten Grafik werden relative Zahlen (ärztlich assistierte Suizide pro 1.000 Einwohner) der verschiedenen Länder miteinander verglichen, die Oregon-Grafik hingegen, die ich verwendet habe, beruht auf der absoluten Anzahl von ärztlich assistieren Suiziden in Oregon. Der korrekte Vergleich wären natürlich eine Grafik mit den relativen Zahlen aus Oregon.

Diesen grafischen Vergleich will ich hier gerne nachholen, denn er macht deutlich, dass sich in der Sache dadurch nichts ändert. Hier also zunächst nochmal die Grafik von Borasio, die schon im letzten Beitrag zu finden war (dort auch die Quellenangabe):

Diese Grafik vergleicht die Anzahl von ärztlich assistierten Suiziden (in der Schweiz und in Oregon) und die Anzahl von Tötungen auf Verlangen (in Belgien und den Niederlanden) pro 1.000 Einwohner miteinander. Die Zahlen in Oregon (die untere grüne Linie) scheinen hier kaum bzw. gar nicht anzusteigen.

Nun im Vergleich dazu eine von mir erstellte Grafik, die allein die Anzahl an assistierten Suiziden (Physician Assisted Suicide=PAS) pro 1.000 Todesfällen in Oregon seit 1998 darstellt. Die Zahlen findet man alle in den jeweiligen Jahresberichten des Death with Dignity Acts in Oregon (dort als Angabe PAS/10.000 Todesfälle). Diese Berichte sind auch die Quelle für die Zahlen in der ersten Grafik.

Die hier dargestellte grüne Linie beruht auf denselben Daten wie die grüne Linie in der oberen Grafik. Der Eindruck ist dennoch ein ganz anderer: Hier steigt die Linie offensichtlich an! Ich habe zur Verdeutlichung in schwarz die Durchschnittstendenz mit eingetragen. Dieser Anstieg fällt bei der oberen grafischen Darstellung optisch nicht auf, v.a. weil der Maßstab dort so gewählt ist, dass er die viel höheren Zahlen aus den Niederlanden und Belgien darstellbar macht, z.A. aber auch weil der Ausschnitt dort etwas enger gewählt ist (2002-2013).

Die sich in den absoluten Zahlen darstellende Entwicklung eines kontinuierlichen Anstiegs der Fälle von ärztlich assistiertem Suizid in Oregon bildet sich also in den relativen Zahlen genauso ab. Ich will aber nochmal betonen, dass die Frage, was daraus in ethischer Hinsicht zu folgern ist, damit noch nicht entschieden ist. Man kann darin eine schiefe Ebene sehen (ich neige dazu) oder nicht: Das ist keine Frage allein der Zahlen, sondern eine Frage dessen, in welchen ethischen Argumentationszusammenhang man die Zahlen bringt und wie man sie interpretiert. Allerdings macht diese kleine Diskussion deutlich – und darum v.a. geht es mir hier – wie leicht man sich von der grafischen Darstellung der Zahlen beeinflussen lassen kann. Wichtig auch: Es ist keine Frage, dass die Zahlen auch als relative Zahlen sehr viel niedriger sind als in den anderen Vergleichsländern, und man wird auch das berücksichtigen müssen. Allein, was die Gründe dafür sind, scheint mir derzeit völlig offen zu sein.

Eine letzte für mich offene Frage ist im Übrigen, ob die Gesamtanzahl von Todesfällen pro Jahr überhaupt eine angemessene Vergleichszahl ist. Man müsste aus diesen m.E. alle diejenigen Todesfälle rausrechnen, für die ein ärztlich assistierter Suizid gar nicht als Alternative zur Wahl stehen konnte, wie z.B. Unfalltote, Opfer von Gewaltverbrechen oder plötzliche Todesfälle durch Herzinfarkt o.ä. Ich habe keine Ahnung, ob das zu statistisch signifikanten Unterschieden führen würde und ob man diese Zahlen überhaupt erheben kann: Aber es wäre m.E. eine auch in ethischer Hinsicht relevantere Zahl, die dann man dann erhalten würde.

Nachtrag zu den Suizidhilfe-Zahlen aus Oregon (USA)
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