Ein seltsames Urteil zur Suizidhilfe

Gerade läuft es über die Nachrichtenticker: Das Bundesverwaltungsgericht hat am 2. März 2017 ein Urteil zur Suizidhilfe gefällt. Wie genau dieses Urteil einzuordnen und zu bewerten ist, wird man erst sagen können, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Vorerst gibt es nur eine Pressemitteilung des BVerwG dazu und diese lässt mich ehrlich gesagt doch etwas ob des Sinnes dieses Urteils rätseln. Gegenstand des Urteils ist der Umgang mit dem Betäubungsmittelgesetzt, das den Umgang mit Betäubungsmitteln in Deutschland regelt. Der Sinn und Zweck von Betäubungsmitteln ist nicht die Selbsttötung, die in Deutschland ansonsten nicht strafbar ist, wie auch die Hilfe zu derselbigen nicht – solange sie nicht geschäftsmäßig erfolgt (siehe dazu meinen Blog-Beitrag). In diesem Fall ging es darum, dass eine Frau beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Freigabe eines Betäubungsmittels für den Zweck der Selbsttötung erwirken wollte, da sie sich aufgrund der schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht vorstellen konnte, so weiterzuleben. Das wurde ihr aber unter Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz versagt.

Das BVerwG verweist nun darauf, dass man hätte prüfen müssen, ob nicht angesichts des schweren Leidens der Patientin hiervon eine Ausnahme hätte gemacht werden müssen. Darüber, ob das sinnvoll ist oder nicht, kann man sicher streiten. Wobei für mich eine wesentliche Frage ist, ob damit nicht faktisch auch ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Selbsttötung eingeräumt würde. Dass man das Recht hat sich selbst zu töten, ist das eine. Ob daraus aber ein Anspruch auf Hilfe bei dieser Selbsttötung entspringt, ist nochmal eine ganz andere Frage, die nicht allein durch den Rekurs auf die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu lösen ist, sondern die auch die Frage betrifft, welche Pflichten andere – hier insbesondere: der Staat – gegenüber dieser Person hat. Hier scheint mir entscheidend, wie genau die Begründung aussehen wird, die noch nicht vorliegt.

Was aber an dem Urteil irritiert ist die Tatsache, dass laut Pressemitteilung des BVerwG die betroffene Frau querschnittsgelähmt und auf künstliche Beatmung angewiesen war. Dann hätte ihr aber das Recht zugestanden, die Beatmung und jegliche andere lebenserhaltende Therapie einzustellen und unter Sedierung zu sterben. Denn niemand kann und darf gegen seinen Willen in Deutschland lebenserhaltend behandelt werden. Das wäre ein ganz normaler Fall des Zulassens des Sterbens eines Menschen in Übereinstimmung mit seinem Willen, wie es in Deutschland täglich passiert. Dabei formuliert das BVerwG in seiner Pressemitteilung selber, dass die Freigabe des tödlichen Medikamentes nur zulässig sein solle, wenn „keine zumutbare Alternative – etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch – zur Verfügung steht“ (Quelle). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hätte darum prüfen müssen, ob die Situation der Frau diesen Ausweg nicht zugelassen hätte und nach Auffassung des BVerwG gegebenenfalls das Arzneimittel auch für den Suizid zulassen müssen. Das an sich kann man durchaus diskutieren. Dass man es aber in diesem Fall diskutiert, bei dem – wie mir nach jetziger Informationslage scheint – der Weg der Beendigung einer lebenserhaltenden Therapie doch viel naheliegender war, ist zumindest seltsam. Besonders ratlos steht man dann davor, dass hier dieser Weg eröffnet wird, der aber nicht mehr begangen werden kann, weil die Frau sich inzwischen in der Schweiz mit Hilfe einer Suizidhilfeorganisation selbst getötet hat. Ob die Entscheidung also am Ende nicht doch richtig war, weil es eben die zumutbare Alternative der palliativmedizinisch begleiteten Beendigung der lebenserhaltenden Therapie (Beatmung) gegeben hätte, wird in diesem Fall auf alle Tage ungeklärt bleiben …

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